Trennung und Scheidung - 10

Welches Recht gilt für binationale Ehepaare?

Bei binationalen Paaren kommt jeder Ehepartner aus einer anderen Rechtsordnung, wobei beide Rechtskreise unterschiedliche Auffassungen über die Rechte und Pflichten von Mann und Frau haben können. Es sollte realisiert werden, dass zunächst jedes nationale Recht an den Grenzen des jeweiligen Landes endet.

In fast allen Ländern gibt es ein "Internationales Privatrecht" bzw. überstaatliche Regelungen, die festlegen, welches Recht im Falle der Scheidung  einer binationalen Ehe zur Anwendung kommt. Jedes Gericht geht von den Gesetzen des jeweils eigenen Landes aus. Ist es aufgrund seines eigenen Internationalen Privatrechts bzw. überstaatlicher Vereinbarungen gehalten ausländisches Recht anzuwenden, so ist ihm dies nur soweit möglich, wie Informationen über das ausländische Recht vorliegen (z.B. juristische Literatur, Gutachten) und ggf. nur insoweit, wie durch die Anwendung ausländischen Rechts nicht gegen wesentliche Grundsätze des nationalen Rechts verstoßen wird (z.B. Art. 6 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch).

Rufen Paare unterschiedlicher Nationalität ein Familiengericht in Deutschland an, so gilt seit dem 21.06.2012 die so genannte ROM III Verordnung. Sie regelt, welches Recht im Falle einer Ehescheidung in Fällen mit Auslandsbezug zur Anwendung kommt. Gerichte in Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Litauen, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Spanien, Slowenien und Ungarn machen ROM III zur Grundlage der Frage, welches Recht sie auf eine Scheidung anwenden. Weitere Länder können folgen. Gerichte in anderen Staaten werden diese Frage, wie bisher, nach den Regeln ihres eigenen Internationalen Privatrechts beurteilen.

Ziel von ROM III ist, einheitliche Regelungen zu schaffen. Dabei wird grundsätzlich an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten und nicht mehr, wie bislang, primär an ihre Staatsangehörigkeit angeknüpft. Darüber hinaus können die Ehegatten das auf ihre Scheidung anwendbare Recht selbst bestimmen. Dabei können sie beispielsweise das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt. Ist einer der Ehegatten Deutscher, kann also das deutsche Recht gewählt werden.

Die ROM III-VO gilt nicht nur, wenn der Scheidungsfall einen Bezug zu einem der teilnehmenden Länder hat, sondern es gilt eine “universelle Anwendung”. ROM III-VO ist danach auch anwendbar, wenn es nicht das örtliche Recht eines an der ROM III-VO teilnehmenden Staates ist.

 

Beispiel:

Ein deutsches Ehepaar lebt in Singapur. Die Eheleute wollen sich nach dem 21.06.2012 scheiden lassen. Obwohl Singapur nicht teilnehmender Staat ist, gilt für die beiden Deutschen, wenn sie sich in Deutschland scheiden lassen wollen, das Recht des Staates Singapur für ihre Scheidung. Es sei denn, sie haben vorher eine Rechtswahl getroffen.

 

Wenn die Ehepartner keine Rechtswahl getroffen haben gilt folgende Reihenfolge:

- es gilt das Recht des Staates, in dem die Eheleute bei Anrufung des Gerichtes ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, anderenfalls

- es gilt das Recht des Staates, in dem die Eheleute zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, anderenfalls

- es gilt das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Eheleute zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts haben, anderenfalls

- es gilt das Recht des Staates, dessen Gericht angerufen wurde.

Beispiele

Lässt sich also ein türkisches Ehepaar, das in Deutschland lebt, scheiden, kommt nicht mehr wie bislang türkisches Recht, sondern deutsches Recht zur Anwendung.

Ein Österreicher und eine Spanierin  sind verheiratet und leben in Deutschland, wo auch ihre beiden Kinder geboren worden sind. Nach 5-jähriger Ehe will das Paar sich scheiden lassen. Deutsches Recht ist anzuwenden.

M und F zwei deutsche Staatsangehörige leben seit zwei Jahren in Italien. Sie sind dort unmittelbar nach Ihrer Eheschließung in Deutschland hingezogen. In Italien kam es zur Trennung. M bleibt in Italien und F kehrt nach Deutschland zurück. F reicht nach 10 Monaten Trennungszeit den Scheidungsantrag beim deutschen Familiengericht ein. Es ist damit italienisches Scheidungsrecht anzuwenden. Nach italienischem Recht ist eine Trennungsphase von drei Jahren vor der Scheidung einzuhalten. Nach italienischem Recht kann sich die F noch nicht scheiden lassen.

Deutsches Scheidungsrecht ist dann anzuwenden, wenn das verwiesene Recht keine Scheidung vorsieht oder die Rechte der Ehegatten hierbei ungleich verteilt sind (vgl. Art. 13 der Rom III-VO).

Stand: Mai 2013

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