Schwerpunkt der iaf informationen 1/2004: der Streit um´s Kopftuch - Pro und Contra einer gesetzlichen Regelung

Wieviel (religiöse) Freiheit ist im Namen der (demokratischen) Freiheit erlaubt? Anders gefragt: wovor haben wir eigentlich so viel Angst? Geht es um die befürchtete Indoktrination unserer Kinder? Oder darum, wie viel Fremdheit wir ertragen und wie wir mit der damit einhergehenden Verunsicherung umgehen lernen? Der "Kopftuch-Streit" ist keine Angelegenheit der Muslime in Deutschland sondern berührt unser demokratisches Selbstverständnis in einer pluralistischen Gesellschaft.

Die unten stehenden Thesen Pro und Contra eines Kopftuch-Verbotes entnahmen wir einer Broschüre des Interkulturellen Rates in Deutschland. Auch in unserem Verband werden die Meinungen dazu sehr vielfältig sein und sicher kontrovers, daran sind wir interessiert. Was sind Ihre Argumente für oder gegen eine "Lex Kopftuch"? Welche Erfahrungen machen Sie bei Diskussionen in Ihrem Umfeld? Wie bedeutsam schätzen Sie das Thema ein?

Schreiben Sie uns oder schicken Sie eine eMail an: [ info(at)verband-binationaler.de ]

In den nächsten iaf informationen werden wir darüber berichten.

Begründungen für ein Verbot

  • Das muslimische Kopftuch ist ein Symbol für eine fundamentalistische Lesart des Islam, die sich unter anderem gegen die Gleichstellung von Mann und Frau richtet und mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist.
  • Eine kopftuchtragende Lehrerin macht es jungen muslimischen Schülerinnen schwer oder unmöglich, sich gegen den Willen der Familie dazu zu entscheiden, das Kopftuch nicht tragen zu wollen.
  • Das Mäßigungsgebot der Verfassung und die staatliche Neutralitätspflicht lassen die Demonstration des religiösen Bekenntnisses durch Lehrerinnen und Lehrer in der Schule nicht zu.
  • Ein Verbot allein des Kopftuchs für Lehrerinnen ist in einer christlich-abendländisch geprägten Gesellschaft zulässig, jedenfalls solange eine Landesverfassung den Erziehungsauftrag auf diese Basis stellt.
  • Ein Verbot des Kopftuchs für muslimische Lehrerinnen stellt keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes dar, weil das muslimische Kopftuch - anders als Kreuz und Kippa - einen verfassungsfeindlichen politischen Symbolgehalt hat.
  • Muslime leben in einer nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft und müssen sich der herrschenden "Leitkultur" unterordnen. Diese lässt keinen Platz für das Kopftuch auf dem Haupt einer Lehrerin.


Und was dagegen spricht

  • Ein säkularer Rechtsstaat hat die Vielfalt der Religionen anzuerkennen und zu schützen, hierzu gehört auch der Islam.
  • Die Vieldeutigkeit des Kopftuchs lässt keine allgemeine Aussage über seinen Aussagegehalt zu; ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann seiner Trägerin nicht unterstellt werden, sie stelle sich gegen die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
  • Eine verantwortungsvolle kopftuchtragende Lehrerin kann insbesondere in Schulen mit hohem Anteil muslimischer Schüler/innen ausgleichend und integrativ wirken.
  • Muslimische Schülerinnen brauchen das Vorbild von Lehrerinnen, die zeigen, dass es möglich ist, Bildungsangebote erfolgreich zu nutzen und persönlich in der Mehrheitsgesellschaft voranzukommen.
  • Aus der staatlichen Neutralitätspflicht folgt lediglich, dass alle Religionen gleich zu behandeln sind. Aus ihr folgt nicht, dass Lehrerinnen und Lehrer sich in der Schule sichtbarer Bekenntnisse zu ihrer Religion zu enthalten haben.
  • Ein Kopftuchverbot in der Schule verlangt nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch das Verbot anderer religiöser Symbole (Kreuz, Kippa, Ordenstracht etc.).
  • Ein Verbot ausschließlich des Kopftuches für muslimische Lehrerinnen ist mit dem Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Auch andere religiöse Trachten wurden oder werden politisch instrumentalisiert oder könnten mindestens instrumentalisiert werden.
  • Das Verbot des Kopftuches auf dem Haupt der Lehrerin wirkt Bemühungen der Integration entgegen. Es fördert mit allen negativen Konsequenzen den Rückzug der muslimischen Minderheit in Parallelstrukturen, die sich von der Mehrheitsgesellschaft abschotten.