Stellungnahme des Verbandes zur Änderung der Einbürgerungstestverordnung
Der Verband befürwortet eine Ergänzung des Einbürgerungstextes und fordert weitere Ergänzungen.
STELLUNGNAHME EINBÜRGERUNGSTEST
Der Verband begrüßt die Absicht des Bundesministeriums des Innern und für Heimat angesichts der erschreckenden Zunahme von Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft und der massiv angestiegenen antisemitischen Straftaten, über eine Ergänzung des Einbürgerungstests ein Signal gegen Antisemitismus zu senden. Die neuen Fragen zum Judentum betonen die Bedeutung des Kampfes gegen Antisemitismus in Deutschland und zeigen, dass die Erinnerung an die Vergangenheit wachgehalten wird. Die Änderungen im Einbürgerungstest sind ein klares Signal, dass es in Deutschland keinen Platz für Antisemitismus gibt. Dies lesen wir auch als Botschaft an die Betroffenen, dass ihre Erfahrungen und Ängste wahrgenommen werden und Antisemitismus entgegengewirkt werden soll. Schon § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 a StARModG stellt klar: „Einbürgerungsbewerber müssen sich zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens, sowie zum friedlichen Zusammenleben der Völker, insbesondere dem Verbot der Führung eines Angriffskrieges bekennen“.
Die Einengung auf Fragen zu Judentum, Israel und Antisemitismus im Einbürgerungstest sehen wir jedoch kritisch, reproduziert sie doch das stereotype Narrativ des „importierten“ Antisemitismus von Einwander:innen und hier insbesondere Einwander:innen aus muslimisch geprägten Ländern. Hier stellt sich die Frage, ob dies neben der gerade erfolgten Einbürgerungsreform, auch an der aktuellen Debatte in Deutschland liegen könnte. Antisemitismus musste nicht erst nach Deutschland oder Europa „importiert“ werden, sondern ist hier seit Jahrhunderten virulent. Die Einengung auf diese Thematik läuft Gefahr, das schon vorhandene Misstrauen – und die Zunahme auch von antimuslimischem Rassismus belegt dies – noch zu steigern und zudem an die Gesellschaft als Ganzes das falsche Signal zu senden.
Mit dem Einbürgerungstest sollen Einbürgerungsbewerber:innen ihre Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland nachweisen. Dazu gehört explizit auch, dass antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind und eine Einbürgerung ausschließen. So die Reform des Staatsbürgerschaftsrecht.
Als Verband vertreten wir binationale, migrantische und transnationale Familien, die intersektional von den verschiedensten Formen von Diskriminierung betroffen sind. Wir würden es daher sehr begrüßen, wenn ein Einbürgerungstest auch explizite Fragen zu weiteren menschenverachtend motivierten Handlungen aufgreifen würde. Neben Antisemitismus dann auch Antiziganismus, Rassismus in seinen unzähligen Varianten wie antischwarzem-Rassismus, antimuslimischem Rassismus, antiasiatischem Rassismus, etc., LGBTQI*-Feindlichkeit, Antifeminismus, Diskriminierung von Menschen mit Behinderung usw. Aus unserer Perspektive würden Fragen zu verschiedenen Formen von Diskriminierung und ihrer Verschränkungen im Einbürgerungstest ein starkes Signal an Einbürgerungsbewerber:innen senden, nämlich dass Deutschland eine inklusive Gesellschaft ist, die sich gegen jegliche Form der Diskriminierung und Ausgrenzung stellt und diese nicht akzeptiert. So können diese Fragen zeigen: Deutschland ist ein Land, das sich den Prinzipien der rechtlichen Gleichstellung und Gleichwürdigkeit aller Menschen verpflichtet. Durch die Beschränkung der Fragen zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auf das Thema Antisemitismus könnte sonst der Eindruck entstehen, andere intersektionale Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung seien nicht so relevant. In der langjährigen Beratungstätigkeit unseres Verbands tauchen diese Befürchtungen immer wieder auf. Muslimische und muslimisch gelesene Menschen wissen um die Stereotypen des „importierten“ Antisemitismus und die vorgesehenen neuen Fragen – sollten sie als alleinige Neuerungen stehen bleiben, ohne auf andere Diskriminierungsformen einzugehen – senden an sie ein Signal, das hier ein Stereotyp reproduziert wird, der sie als Gruppe stigmatisiert.
Fragen in einem Einbürgerungstest können nur eine symbolische Wirkung haben. Zur Sicherheit von Jüdinnen und Juden kann solch ein Fragenkatalog nicht wirklich beitragen. Er zeigt Jüdinnen und Juden jedoch: Antisemitismus wird nicht geduldet. Genauso kann diese Symbolik durch eine Erweiterung des Fragenkataloges für alle Menschen in Deutschland eine Wirkung zeigen.
Deutschland hat ein Antisemitismusproblem und Deutschland hat hier eine besondere Verantwortung. Das Menschheitsverbrechen der Shoah ging von deutschem Boden aus. Antisemitismus taucht bis heute in der gesamten Gesellschaft auf, bei Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. Eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus braucht jedoch mehr als ein Auswendiglernen von Fakten zu Israel oder Judentum. Gegen Antisemitismus und alle Formen der Menschenfeindlichkeit braucht es eine konsequente Förderung von Strukturen demokratischer Bildung.
Daran anschließend fordern wir, dass nicht nur der Fragenkatalog des Einbürgerungstests die unterschiedlichen Formen intersektionaler Diskriminierung widerspiegelt und um diese erweitert wird, sondern zugleich auch die Curricula der Integrationskurse reformiert werden. Denn diese Kurse sind Orte, an denen diversitätssensible und rassismuskritische Bildung stattfinden kann – nicht zuletzt aufgrund der Diversität der Zusammensetzung der Teilnehmenden. Lehrmaterialen müssen entsprechend überarbeitet und Dozent:innen entsprechend geschult werden. Zusätzlich sollte es auch Fortbildungsmöglichkeiten zur Frage geben, wie Lehr-Lernräume diskriminierungsfrei gestaltet werden können. Als ein Träger politischer Bildungsarbeit würden wir auch für diesen Überarbeitungsschritt eine Verbändebeteiligung begrüßen.
Bei der Durchsicht des Fragenkatalogs ist uns zudem aufgefallen, dass viele der Fragen auf Hochschulniveau formuliert sind – also gemäß des europäischen Referenzrahmens eine Sprachkompetenz von C1 anstelle von B1 voraussetzen. Wir bitten daher um eine dahingehende Prüfung des Sprachniveaus aller Fragen mit dem Ziel, die Abfrage der Sprachkompetenz – die ja in einem gesonderten Prüfungsverfahren vorgesehen ist – von der Wissensabfrage, die im Rahmen des Einbürgerungstests stattfindet, zu entkoppeln. Denn ansonsten werden Einbürgerungsbewerber:innen zusätzliche Steine in den Weg gelegt.