15.02.2021

Dem System hilflos ausgeliefert

Daniela kann nicht verstehen, warum sie ihren Liebsten nicht endlich heiraten und zusammen in Deutschland als Familie leben kann. Ihre Geschichte


Mein Verlobter Stephen ist aus Ghana nach Lybien gezogen und hat  dort einige Jahre gearbeitet. Als die Lage extrem schlimm wurde, ist er 2016 mit einem Gummiboot nach Italien und hat diese Reise glücklicherweise überlebt (zu dieser Zeit haben die Italiener noch Menschen aus Seenot gerettet). Er stellte seinen Asylantrag in Italien und zwei Jahre geschah gar nichts. Keine Anhörung, nichts ging voran. Eine Arbeit zu finden, ist in Italien fast unmöglich. Also machte er sich 2018 zu Fuß über die Alpen nach Deutschland auf den Weg und stellte in Deutschland einen Asylantrag. Hier haben wir uns persönlich kennen und lieben gelernt und im März 2019 zog er dann bei mir und meinem Sohn ein. Allerdings gelang es uns trotz Anwälten, und der Absicht zu heiraten sowie einem unterstützenden Umfeld und Presseartikeln, der Zusage für einen unbefristeten Arbeitsvertrag nicht, ihn vor der Abschiebung nach Italien zu bewahren (Dublin Regelung). Er wurde sogar wegen angeblicher Fluchtgefahr (also zu Hause wohnen) für 4 Wochen in Abschiebehaft nach Pforzheim verbracht bevor er am 4. September 2019 abgeschoben wurde. Ich möchte hier anmerken, dass der Mann noch nie eine Straftat begangen hatte oder auch nur mal ohne Ticket Bus gefahren wäre! Mich hat diese Inhaftnahme regelrecht traumatisiert und ich habe ihn dort so oft wie möglich besucht, es ist ein düsterer fast rechtfreier Ort.Wie mag es erst ihm ergangen sein.
In Italien erwartete ihn: NICHTS
Es gab keine Unterkunft, kein Taschengeld, keinerlei Hilfestellung von den Italienern. Man verweigerte ihm die nächsten 13 Monate sogar des Permesso di Soggiorno (welches jedem Asylbewerber per Gesetz zusteht). Dieses Permesso ist gleichzeitig Krankenversicherung, Arbeitserlaubnis und man braucht es z.B. um ein Konto eröffnen, einen Telefonvertrag abschließen oder eine Wohnung mieten zu können. Durch meine Unterstützung und gelegentliche Jobs musste er nicht auf der Strasse leben oder es erneut in einem anderen Land versuchen. Es geht hier immer um die nackte Existenz.

Wir fanden dann endlich eine tolle Anwältin, die das Permesso im Oktober 2020 für ihn durchgekämpfte. So hat er  glücklicherweise auch sofort einen guten Job gefunden.
Ich bin so oft es mir möglich ist in Italien (wir haben dort eine Wohnung gemietet) und da war die Corona Zeit (erste Welle) ziemlich nervig weil wir uns 3 Monate gar nicht sehen konnten. Wir vermissen uns furchtbar und haben im Prinzip eine Whats-App Videotelefonie Dauerschleife (auch oft nachts weil wir dann einfach besser schlafen können).

Parallel um die Bemühungen zur Heirat (sieht fast aussichtlos aus) hoffen wir, dass er in Italien Papiere bekommt mit denen er dann auch zurück nach Deutschland darf. Hier gibt es zum einen die Möglichkeit die Anerkennung als Flüchtling zu erhalten oder auch per Amnestie (machen die Italiener alle paar Jahre) einen Aufenthaltsstatus zu erlangen. Bevor ich ihn heiraten darf muss eine Identitäts-/Dokumentenprüfung durch die deutsche Botschaft in Ghana erfolgen. Wir haben alle geforderten Unterlagen eingereicht und es wurde 1 Jahr lang geprüft. Allerdings mit negativem Ergebnis. Wir stehen also wieder am Anfang und man sagt uns auch nicht wirklich wo das Problem liegt.

Wir überlegen, ob ich mit Sohn nach Italien übersiedle oder ob wir alle zusammen nach Ghana auswandern, aber das geht natürlich auch nicht so ohne Weiteres.
Es gibt Tage an denen geht es mir sehr schlecht, denn ich empfinde alles als total sinnlos und vor allem diese ganzen Hürden als unüberwindbar, aber dann gibt es Tage an denen geht es mir gut, denn eigentlich bin ich tiefenglücklich mit meinem Partner und meiner Beziehung. Wir lieben uns sehr, wäre dem nicht so hätten wir schon längst aufgegeben. Ich fühle mich hilflos dem System ausgeliefert und unsere gemeinsame Lebenszeit wird uns praktisch genommen.

Von den Kosten (Reisekosten, Anwaltkosten, doppelte Mietkosten, etc.) muss ich sicher nichts erzählen. Da haben wir echt Federn gelassen und die Sitution entspannt sich gerade erst langsam seit er auch arbeiten darf.

Wir versuchen einfach das Beste aus der Lage zu machen und durchzuhalten. Irgendwann ist er wieder zu Hause.
Ich wünsche jedem/jeder in einer ähnlichen Lage Durchhaltevermögen und ganz viel Kraft. Ich wünsche mir dass unser Leid gesehen wird und wir ein wenig unbürokratischer und mit weniger Hürden unser Zusammenleben praktizieren dürfen.

Daniela B.